Ein Kleid verhält sich zur weiblichen Garderobe wie ein Schokosoufflee zum Vier-Gänge-Menü. Wenn nicht wirklich alles perfekt passt, ist es nichts als ein trauriges Häufchen verschwendeter Rohstoffe, die beim ersten schiefen Blick in sich zusammenfallen wie Zuckerwatte im Regen. Zurück bleibt ein zähflüssiger Kern – oder eben eine Depression in der Umkleidekabine.

Brautkleid

Nur ein Kleid kann den ganzen Körper umschmeicheln und in Szene setzen, als würde es mit dem Spiegel gemeinsame Sache machen. (Ich habe jedenfalls noch nie eine Hose anprobiert, die auch mein Dekolleté groß rausgebracht hat. Oder eine Bluse gefunden, die lange Beine zaubern konnte.)

Andere Kleider wiederum sollten eine Warnung auf dem Preisschild enthalten. Zum Beispiel „Achtung: Problemzonen-Betonungsgefahr, Stufe 3“, in roten Buchstaben. Sitzt ein Kleid auf den Hüften wie eine Silikon-Backform, in die man die doppelte Menge Teig gefüllt hat, während es um die Schultern hängt wie ein Feudel zum Trocknen – ja, dann geht es den Rest des Tages (oder der Woche, je nach Gefahrenstufe) höchstens noch der Kreditkarte gut. Und auch das nur, wenn kein Schuhladen auf dem Weg liegt.

 

Und jetzt? Ein Brautkleid im Internet bestellen und erstmal nur im Dunkeln anprobieren? Auf keinen Fall. Ich empfehle Euch tatsächlich, auf eine der großen Hochzeitsmessen zu gehen, wenn Ihr noch keine Idee habt, wie das Kleid aussehen soll. Mehr knallweiße Kunstfasern mit schillernden Glitzerapplikationen bekommt Ihr sonst nirgendwo zu sehen. Furchtbar? Und wie! Aber wisst Ihr was? Ihr werdet hinterher ganz detailliert beschreiben können, was Ihr nicht wollt.

Noch ein kleiner Tipp: probiert keine Kleider an auf diesen Messen! Neonlicht in provisorischen Mini-Umkleidekabinen, gequälte Blicke vorbeischlurfender Männer, die sich von ihrer Liebsten haben mitschleppen lassen – nein danke. Hochzeitsmessen können Arschlöcher sein. Aber wärt Ihr bereit gewesen für Euren Mr Right, wenn es nicht mindestens eine Kerbe für Mr Superarschloch in Eurem Bettpfosten gegeben hätte?

Eben.

Wenn Ihr das Messetrauma überwunden habt, kommt der schöne Teil. Trauzeugin, Mutti oder die Mädels schnappen und Kleider gucken gehen! Egal, ob Ihr die Hochzeitsscheune im norddeutschen Nirgendwo ansteuert oder die exklusive Brautboutique in Eppendorf – wichtig ist, dass es Euch gut dabei geht. Macht Euch zurecht wie für ein Date (aber trotzdem hautfarbene Unterwäsche anziehen, bitte) und lasst nur dort die Hüllen fallen, wo Ihr Euch so prinzessinnenhaft behandelt fühlt, wie Ihr es verdient habt.

Zur sofortigen Flucht rate ich in diesen Fällen:

  • Die Verkäuferin glaubt, sie wisse als Einzige, was im Trend liegt und was Euch steht oder nicht. Bei Vorschlägen und Einwänden hebt sie schuldirektorinnenmäßig ihre Augenbrauen.
  • Die Brautkleider werden gelobt wie verzogene Dreijährige, an der Brautfigur wird dagegen rumgemäkelt. Ungefähr so: „Das ist reine Naturseide, ein ganz feines, fließendes Stöffchen. Bei Ihrer Figur würde ich eher etwas festeres Material empfehlen.“
  • Mehrere Bräute teilen sich eine Umkleidekabine. Geht gar nicht, wird zumindest an Samstagen aber durchaus praktiziert! Opfert lieber einen Urlaubstag für Euer Kleid als Eure Intimsphäre.
  • Die Beleuchtung schafft es, dass Euer Spiegelbild aussieht wie jemand, den Dr. Jordan in der Pathologie vergessen hat.

Nichts davon trifft zu? Die Verkäuferin ist für alles offen, Ihr würdet am liebsten Mama zu ihr sagen und Fotografieren ist selbstverständlich auch erlaubt? Yeah, dann kann es ja losgehen!

Wie, das war’s? Und das richtige Kleid erscheint dann ganz von selbst? Na ja, nicht ganz. Statistisch gesehen probiert eine Braut zwischen einem und hundertsiebenundachtzig Kleidern an, bis ihr Kleid dabei ist. Huch! Und ganz ehrlich: ich wünsche keiner Braut, dass sie sich für das allererste Kleid entscheidet. Ich besitze so viele Bilder von mir in den verschiedensten Brautkleidern, dass ich einen Kurzfilm daraus basteln könnte. Der Titel wäre: The Kleid of my Life.

Und deshalb, Ihr lieben Bräute: genießt die Suche nach dem traumhaftesten aller Brautkleider und macht eine Party daraus. Die Vorfreude auf die Hochzeit ist fast genauso schön wie das große Fest – aber das Tolle daran ist: Ihr könnt sie wochen- und monatelang zelebrieren und Puderzucker darüber streuen. Denn Ihr seid die Braut. Und eines Tages schaut Ihr in den Spiegel und es steht vor Euch, als hätte es nur auf diesen Moment gewartet. Das perfekte Soufflee.

P. S.: Nicht dass Ihr mich falsch versteht. Es gibt auch wunderschöne, kleine, individuelle Hochzeitsmessen, die richtig Lust machen aufs Heiraten! Chris verrät Euch wo – hier und hier.

signatur-astrid

Foto: Moritz Werner